Die Weichtiere – Mollusken

Schaukasten der großen zweischaligen Mollusken, die im See S. Croce leben(Anodonta cygnea, Unio elongatulus).

     Die malakologische Sammlung im ersten Stockwerk ist eine der naturalistischen Charakteristiken dieses Museums, überdies ist sie die einzige Muschelausstellung der Provinz von Belluno, die für das Publikum geöffnet ist. Die Weichtiere wurden früher einmal Malacozoi genannt, und noch heute ist die Malakologie die Wissenschaft, die sie erforscht, während der Malakologe der Spezialist dieser wichtigen wirbellosen Gruppe ist. Diese Gruppe kommt in der Rangordnung, von der Zahl der lebenden Arten ausgehend (etwa 120.000), gleich nach den Insekten.
     Die Sammlung ist von Ivan Fossa und seinem Freund Fabio Decet aufgestellt worden. Sie zeigt die wichtigsten Familien der Landschnecken und der Süßwasserweichtiere, welche die verschiedenen Landschaftsformen unseres Gebietes bevölkern. Mit etwa 190 bekannten Arten in der Provinz - es sind 650 Arten, die nicht im Meer leben, in der Checkliste Italiens aufgeführt - haben die Weichtiere jede Art der Landschaftsform bevölkert: von den Gärten zu den Parkanlagen, von den Wiesen zu den Trockenmauern, aber auch die Seen, die feuchten Zonen und die Quellen, die Laubwälder und die Nadelwälder und letzthin die Felsen und die Hochweiden. Trotz ihrer großen Verbreitung sind die Schnecken und Nacktschnecken dem größten Teil der Bevölkerung aus Belluno unbekannt, ausgenommen den wenigen essbaren oder für die Gärten und Parkanlagen schädlichen Arten.


Die Weinbergschnecke (Helix pomatia) ist die bekannteste Schnecke. (foto F. Padovan)

Die Morphologie der Weichtiere
     Schnecken und Nacktschnecken sind Gastropoda (Bauchfüßer) die von einem weichen Körper, an dem der muskulöse Fuß auffällt, charakterisiert sind. Die Fußsohle dient zur kriechenden Fortbewegung. Der Kopf ist meistens mit zwei Paar kleinen Fühlern (Kopftentakel und Labialtentakel) versehen und der Mund ist im Innern von einer mit Zähnchen bedeckten Zunge (Radula) bewaffnet; sie dient dazu die verschiedenen Pflanzen-teile abzuschaben. Das Schneckengehäuse ist eine Kennzeichnung der Schnecken, während sie bei den Nacktschnecken fehlt oder unterentwickelt ist, deshalb nennt man sie auch nackte Weichtiere. Das Gehäuse besteht aus verschiedenen Schichten von Kalk und Aragonit (Sprudelstein), die übereinanderliegen und mit einer Schicht aus gegerbtem Eiweiß (Periostracum) bedeckt sind. Normalerweise ist es braun und oftmals mit Haaren oder kleinen Haken bzw. Rippen bedeckt; in der Gruppe der Prosobranchiate wird es letzthin von einem Kalkdeckel (Operculum) versiegelt. Die Lungenschnecken sind zwittrig; das männliche Geschlechtsorgan wird während der Paarung aus einer kleinen Tasche, die sich rechts am Kopf befindet, ausgestülpt. Die Atmung der Landlungenschnecken erfolgt über einen Lungensack, der nach außen mit dem Atemloch verbunden ist, das sich rhythmisch ausdehnt und zusammenzieht; und immer in der Nähe der Atemöffnung befindet sich der Afterausgang, von dem die metabolischen Reste ausgestoßen werden.
Die Lebenszyklen sind oft einjährig, aber viele Arten leben mehr als ein Jahr: Die Weinbergschnecke (Helix pomatia) lebt normalerweise fünf Jahre und im besten Fall kann sie zehn Jahre überschreiten. Die mehrjährigen Arten bilden einen kalkhaltigen Deckel, mit dem sie das Schneckenhaus schließen (Diaphragma), um den Winter oder zu kalte Zeiten zu überwinden; man spricht dann von Überwintern oder Sommerschlaf


Eine Zwergschnecke (Carychium mariae) (1,5 mm lang); sie lebt im faulenden Laub der Buchenwälder. (foto C. Dalfreddo)
Eine Kristallschnecke (Vitrea minelli) (3 mm breit); zum ersten Mal wurde sie in Col Indes aufgefunden; der Standort dieses Mollusken ist das Gebiet des Cansiglio-Karnische Alpen. (Foto C. Dalfreddo)

     Im Museum werden die Gehäuse in entomologischen Schachteln ausgestellt, zur besseren Ansicht, da sie sehr klein sind, ist jedem eine entsprechende Zeichnung beigefügt.
     Es ist auffallend, dass fast alle einheimischen Arten sehr klein sind; sie sind nicht mit den großen Meeresmuscheln oder den farbigen Arten der tropischen Länder zu vergleichen. Hier hingegen herrschen die braunen Tarnfarben der Waldböden und die hellen Farbtöne der auf den Felsen lebenden Arten vor, diese reflektieren die Sonnenstrahlen. Für diese kleinen wirbellosen Tiere besteht immer die Gefahr der Dehydratation: daher haben sich die kleinen Landschnecken mit einem besonderen Lebensstil eingerichtet, sie konzentrieren ihre Aktivität auf die feuchten Stunden des Tages, wie auch nach einem Regenguss, oder mit der Anpassung des Gehäuses, welches in der Schönen Landdeckelschnecke (Pomatias elegans) stärker ist und mit einem Kalkdeckel versiegelt wird, siehe (Kästchen Nr. 709).
     Die Anwesenheit des Deckels und die getrennten Geschlechter sind eine Eigenart der primitivsten Gastropoda Prosobranchia, welche die Landarten sowie die der Gewässer einschließen. Es ist hervorhebenswert, zuerst an die eigenartigen Cochlostoma (C. septemspirale, C. henricae, C. philippianum; K. Nr. 709) mit einem konisch geformten Gehäuse zu erinnern. Sie sind typische Bewohner der Felsen, die mit vielen vereinzelten Bevölkerungen von den glazialen Ereignissen getrennt wurden und die heute in vielen Arten und Unterarten vorhanden sind; auch die Acicule (K. Nr. 709), die am winzigsten sind, sind nicht zu vergessen, Landbewohner mit einem glatten oder fein gerillten Gehäuse; der Mundsaum ist mit einer Wulst eingefasst.
     Unter den aquatischen Prosobranchia sticht die auffällige Viviparus ater (K. Nr. 724) ins Auge; ihr Wohnbereich liegt in den Wassergebieten in der Nähe des Sees S. Croce, aber auch in einem Sumpfgelände in der Gemeinde von Tambre; wie ihr Name erkennen lässt, bringt sie schon fertiggebildete Junge auf die Welt. Die seltene und zarte Paladilhiopsis virei (K. Nr. 724) lebt hingegen in einer uns unbekannten Umwelt in den Gewässern unter der Erde und sie ernährt sich von nicht grünen abgelagerten Mikroorganismen.
     Unter den Lungenschnecken finden wir die urtümlichste Familie der Ellobiidae (Archeopolmonati) mit den winzigen Carychium (C. mariae und C. tridentatum,K. Nr. 709), die man im faulenden Laub der Lärchen beobachten kann, oder die seltsamen Zospeum (Z. spelaeum), blinde und unpigmentierte Bewohner der Grotten und Höhlungen unserer Voralpen.
     Zu den Lungenschnecken gehören zwei andere Ordnungen: die der Wasserlungenschnecken (Basommatophori), die nur zwei Tentakel besitzen und an deren Basis die Augen angebracht sind; und die der Landlungenschnecken (Stylommatophori), deren Augen auf der Spitze des oberen Paares der Tentakel liegen.
     Zur ersten Gruppe gehören die Arten, die im Süßwasser der Kanäle, Bäche, Tümpel und Seen leben. Zum Unterschied der Prosobranchia der Süßwasser haben die Lungenschnecken Basommatophori die Gewässer auf dem Kontinent vom Land aus und nicht vom Meer aus erobert. Eben deshalb besitzt die schöne Limnea der Tümpel (Limnaea stagnalis, K. Nr. 723) Lungen und nicht Kiemen, so ist sie gezwungen an die Oberfläche zu kommen, um den Sauerstoff der Atmosphäre zu atmen. Das Gleiche gilt für Formen, die am kleinsten sind, wie die Radix auricularia, die R. peregra oder der Galba truncatula (K. Nr. 723): die letzten beiden Arten kann man auch in langsam fließenden Bächen oder in Brunnen beobachten.
     Die limnee haben ein rechtsgedrehtes Gehäuse, die fise (K. Nr. 723) hingegen ein linksgedrehtes (der Beobachter sieht die Öffnung des Gehäuses auf der linken Seite): Alle drei italienische Arten leben in den Feuchtgebieten zwischen dem See S. Croce und dem Ort Paludi. Unter ihnen befindet sich auch die seltene Aplexa hypnorum, die heute immer mehr von den vom Menschen hervorgerufenen Landschaftsveränderungen bedroht ist, aber bis jetzt noch reichlich in diesem Ort anwesend ist.
     Vergessen wir nicht die Familie der Planorbidi mit ihrer großen Art, der planorba maggiore (Planorbarius corneus, K. Nr. 723), die in der Nähe des Sees S. Croce lebt, dem einzigen bekannten Standort in der Provinz. Früher wurde diese Art „Purpur des Süßwassers“ genannt: das Blut der Planorba enthält wie bei uns das Pigment Hämoglobin, um den im Wasser anwesenden Sauerstoff besser nutzen zu können. Wenn sie gestört werden, sondern sie kleine rote Tröpfchen ab, die den eventuellen Angreifer verwirren sollen. Das Gehäuse dieser Gruppe, die im Alpago mit anderen Arten wie der Planorbis und Gyraulus (K. Nr. 723) vorhanden ist, erkennt man leicht an ihrer Scheibenform.
     Unter den landlebenden Arten sind die kleinsten die am häufigsten Vorkommenden; sie leben zwischen den Büscheln der Wiesen, im Bodenstreu des Waldes oder zwischen dem Geröll der Felsen: sie fallen durch ihre wunderschönen Gehäuse auf, die von eleganter oder bizarrer Form sind. Um sie wirklich bewundern zu können, ist ein Stereomikroskop mit 20–30 Vergrößerungen unentbehrlich: So könnte man das zarte Rippenwerk in der Pagodulina und Sphyaradium (K. Nr. 710), aber auch in der Vallonia costata und Gittenbergia sororcula (K. Nr. 711), die kleinen Dörnchen der seltsamen Acanthinula aculeata (K. Nr. 711), die Mundrüstung der bedrohlichen Odontocyclas kokeilii (K. Nr. 710) oder die Vertigo (K. Nr. 710) mit der charakteristischen Fässchenform erblicken; dazu noch die winzigen truncatelline (K. Nr. 710), die mit der Punctum pygmaeum (der Name ist sehr bedeutungsvoll, K. Nr. 712) wirklich die Pygmäen der Gruppe darstellen (etwa 1 mm).
     Die Kornschnecken (Chondrinidae) sind typische Arten in den Felsen und sie weiden auf den Flechten, welche die kalkhaltigen Gesteine bedecken; die Chondrina avenacea (K. Nr. 711) umfassen zwei standortgerechte Arten, die für das Gebiet des mittelhohen Piave-Tales (C. a. latilabris und C. a. veneta) beschrieben sind.
     Sehr seltsam ist unter den Pulmonata Stylommatophori die Gruppe der Schließmundschnecken - Clausiliidae (K. Nr. 717-718): ihr Gehäuse ist sehr klein und von enger und verlängerter Spindelform. Die Öffnung zeigt normalerweise zahlreiche Falten, die auch zur Erkennung der Art dienen; sie wird von einem kleinen, kalkhaltigen, Clausilium genannten, Blättchen versiegelt. Verschiedene Arten bewohnen die Gesteine oder die Bäume, wo sie sich in den kleinen Spalten, die sich in der Rinde oder auf den Steinen befinden, verstecken. Die verbreitetesten Arten sind normalerweise die Macrogastra, Cochlodina und die Charpentieria (K. Nr. 717). Zur Sammlung gehört die seltene Neostyriaca corynodes (K. Nr. 718), die auf den Gipfeln um Feltre wohnt, der zweite heute in Italien bekannte Standort, und die Fusulus interruptus (K. Nr. 718), eine Art der Ostalpen, die im Wald des Cansiglio aufzufinden ist.
     Die Glanzschnecken (Zonitidae) (K. Nr. 713) betreffen die fleischfressenden Arten wie die Aegopinella und die Oxychilus und solche, die wie die Aegopis gemonensis fähig sind, in Grotten abzusteigen. Eine ähnliche Art, nur größer, die Riesenglanzschnecke (Aegopis verticillus) lebt in Lärchenhainen und findet in den Wäldern des Cansiglio die Ostgrenze ihres Wohnraumes. Zu dieser Familie gehören auch die kleinen Glasschnecken (Vitrinidae), unter ihnen die Vitrea minelli, deren Standort der Cansiglio und die Karnischen Alpen sind.
     Die Vitrinidae (K. Nr. 712, Tafel Nr. 716) umfassen andere fleischfressende Arten, bei ihnen ist das Tier mit einer hauchdünnen Kapuze bedeckt, die aber zu klein ist, um es gänzlich zu beherbergen (siehe die Eucobresia, Vitrina, Vitrinobrachium, aber auch Carphatica). Einige dieser Arten kann man im Winter beobachten, während sie sich auf dem Schnee bewegen.
     Zum Schluss die Nacktschnecken, die kein äußeres Gehäuse zeigen, aber zum größten Teil auf dem Rücken in der Nähe der Atemöffnung eine kleine transparente kalkhaltige Schuppe, den Mantelschild, als letzte Spur des Gehäuses aufweisen: sie werden in der Sammlung mit einigen Zeichnungen veranschaulicht. Unter den meist verbreiteten Arten finden wir die große schwarze limaccia nera (Limax bielzi) und die Großer Schnegel (L. maximum), sie besuchen vor allem die feuchten Lärchenwälder; die Spanische Wegschnecke (Arion lusitanicus) ist hingegen eine rote Nacktschnecke, die als Flagelle der Gärten bekannt geworden ist. Diese Art ist in den sechziger Jahren versehentlich in die Provinz im Ort Puos d’Alpago eingeführt worden und in wenigen Jahren hat sie sich im ganzen Tal von Belluno ausgebreitet.
     Viele Arten der Familie der Hygromiinae (K. Nr. 718) bevorzugen die feuchten Gebiete, wie ihr Name beweist, und vor allem haben sie sich an das Bodenstreu der Wälder angepasst. Die Gehäuse der Trichia, Petasina, Helicodonta und Ciliella sind von brauner Farbe und oft mit winzigen Haaren bedeckt, während die Hygromia cinctella leicht an ihrem kugelförmigen, leicht gedrücktem Gehäuse von den anderen zu unterscheiden ist. Unter den Helicidae, sind die campylee (K. Nr. 719) mit einem spiralförmigen fast platten Gehäuse charakteristische Schnecken der Gesteine und der Trockenmauern: Die Chilostoma illyricum ist unter dem Namen „Teufelsschnecke„ bekannt, sie hat einen schwarzen Körper und einen unangenehmen Geschmack. Die anderen Arten dieser Gattung (C. cingulatum und C. ambrosi) haben ihren Wohnraum auf den trockenen Felsen der Ostalpen erwählt. Eine Schachtel ist der schönen Schwarzmündigen Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) (K. Nr. 720) gewidmet, sie kann man leicht auf den Hecken der Parkanlagen und der Gärten beobachten. Auffallend sind die zahlreichen Farbtöne und Zeichnungen ihres Gehäuses mit dunklen Streifen auf gelbem, rosa oder weißem Grund. Die verbreitetste Form ist die der Fünfstreifigen; aber die Streifen können auch weniger sein, ineinander laufen oder auch fehlen. Alle Exemplare der Sammlung gehören zur gleichen Art, auch wenn sie eine bedeutende phänotypische Variabilität aufweisen. Zur gleichen Familie der Helicidae gehört die Gefleckte Schnirkelschnecke (Arianta arbustorum) (zusammen mit der Arianta stenzii), eine bekannte Bergschnecke, deren Wohngebiet die Wiesen auf über 1500 m Höhe sind. Sie wird zu Nahrungszwecken gesammelt, vor allem in der Gemeinde von Chies, wo in Lamosana das „Fest der Schnecken“ gefeiert wird. Auf Grund dieser Interessen wird ihre Art geschützt und das Sammeln ist heute in der Provinz von Belluno geregelt1. Die Weinbergschnecke, deren wissenschaftlicher Name Helix pomatia ist, finden wir in der Sammlung (K. Nr. 721-722) mit drei Exemplaren; sie können bis zu 100 g wiegen und zehn Jahre alt werden. Es handelt sich sicher um die größte und bekannteste Schnecke unserer Fauna.
     Kehren wir zum Wasser zurück und sprechen wir diesmal über die Bivalvia, die Weichtiere, deren Gehäuse auf der Höhe der Verbindung in zwei Schalen getrennt ist. Noch heute bevölkern die große Anodonta und Unio (K. Nr. 725) die schlammigen Gründe des Sees S. Croce und des Vedana Sees. Mit dem Fuß graben sie sich ein; das Wasser fließt durch ihre Kiemen und filtriert kleinste Teilchen, von denen sie sich ernähren. Es handelt sich um große Filter, die sehr wichtig für die Reinigung des Wassers sind. Ihre Schalen findet man längs des südlichen Ufers am See S. Croce, oftmals vom Schnabel der Möwen oder der Rabenvögel, die in dieser feuchten Zone leben, zerstückelt. Sehr kleinere „Bivalvi“, die pisìdi (Pisidium, K. Nr. 726), kann man praktisch in jeder Süßwasserpfütze finden, der Schlamm und ihre Größe schützen sie vor indiskreten Augen.
     Mit ein wenig Neugier und Aufmerksamkeit könnt ihr selbst viele der ausgestellten Arten finden; es reicht, einen Ausflug in den Wald zu unternehmen, einen kleinen Spaziergang in eurem Ort zu machen oder nur in eurem Garten nachzuschauen. Viel Glück beim Entdecken!