Geologie und Mineralogie

Der typische Hang des Erdrutsches des Alpago, von der Formation des Flysch gebildet. Die herausragenden Schichten der calcarenite sind sichtbarer, da sie im Gegensatz zu Mergel und Lehm den Wettereinflüssen besser widerstehen.
(foto F. Padovan)

     Das herrliche Talbecken des Alpago hat seine heutige Gestalt infolge der starken Erhöhung des Bodens erhalten; dieser Prozess, der die Alpen geformt hat, ist noch heute im Gange. Das Ansteigen ist über die Zeiten hinweg nicht gleichmäßig verlaufen; deshalb erkennt man heute, dass die Schichten der antikeren Formationen sich auf den Gipfeln der Berge befinden, während die jüngsten vorquartären Schichten sich im Tal, im Zentrum des Beckens befinden. Tektonisch wird die Form einfacher ,Synclinale’ oder Mulde genannt. Die gegensätzliche Form oder die Antiklinale erscheint dort, wo die antikeren Formationen sich im Zentrum und wenig höher als die jüngsten befinden. Man kann es an der Westgrenze des Talbeckens des Alpago zwischen Cugnan und Cadola feststellen.
     In beiden, fast immer lokalen Fällen, entspricht die Neigung der Hänge dem Untertauchen der Schichten der verschiedenen vorquartären Formationen, vor allem im höchsten Teil des Gebietes.
     Das Talbecken des Alpago ist im Norden gegen das Piave – Tal und im Süden gegen das Lapisina – Tal geöffnet. Auch diese Täler sind von tektonischer Herkunft und von einer Vielzahl von Brüchen durchlaufen. Beide Täler sind später vom Wasser des Flusses Piave und seinen Gletschern geprägt worden. Die Erosion hat eine Tiefe von mehr als minus 150 m vom heutigen Stand der Paludi-Ebene erreicht. Später haben das von den Bächen angeschwemmte Material sowie das des Erdrutsches einen guten Teil der Täler bedeckt; so ist die heutige Morphologie entstanden. Dieser Prozess setzt sich heute noch fort.
     Vor vielen Millionen von Jahren hatte das Alpago und fast die gesamte Provinz eine ganz andere Morphologie; das Land befand sich tiefer als der heutige Meeresspiegel.
     Die schlammigen, geröllhaltigen und gebirgsbildenden Ablagerungen, die sich auf dem Grund dieser Meereslandschaft vom Jura bis zum Miozän ansammelten, wurden vom Druck, der beim Übereinanderliegen der Sedimente entstand, verhärtet. Sie wurden vom orogenetischen Auftrieb emporgehoben und haben sich in die heutige Gestalt eingefügt.
     Die altertümlichsten, aus dem Meer auftauchenden Formationen sind vor 210 bis 150 Millionen Jahren im Jura abgelagert worden; während sich im Gebiet der Provinz ein enges und tiefes Becken formte, das im Westen von der Trientplatte und im Osten von der des Friaul begrenzt war.
     In diesem Gebiet beweisen sich generell die antiksten Formationen stabiler, da sie zum größten Teil aus Kalkstein und Dolomit bestehen und gute physische, mechanische Eigenschaften besitzen.
     Die Zwischenformation, die unter dem Namen Flysch bekannt ist, besteht zum größten Teil aus Mergel, Lehm und Sandstein aus dem Eozän; sie sind untereinander im regelmäßigen Wechsel aufgestellt. Das Vorhendensein der Sandsteine und der calcareniti, die im Gegensatz zu Lehm und Mergel widerstandsfähiger gegen die Erosion sind, hat die Ordnung der Abhänge beeinflusst. So haben sich die typischen Erhöhungen hog’s back geformt, die im SW des Talkessels zu der Morphologie des Restes der Landschaft in Kontrast stehen. Hog’s back oder cuesta ist der Ausdruck, mit dem man eine morphologische Einheit darstellen will; sie wird von einer schwachen oder mittelmäßig, parallel zu den untergetauchten Schichten geneigten Oberfläche gebildet und von einer zweiten, viel steileren Oberfläche, die in die Gegenrichtung geneigt ist.
     Die letzten Erscheinungen im Alpago, welche die Evolution der Hänge am meisten geprägt haben, sind sicher die Erosion der Bäche und die der Erdrutsche.
     Die Bildung des Flysch (Eozän) und die quartären Ablagerungen (moräne, fluvial–glaziale oder alluviale aus der Zeit der Gletscherschmelze) sind von der Stabilität aus, aufgrund der Anwesenheit von Lehm und Schlacke, schwächer; bei Anwesenheit von Wasser erleiden diese eine hohe Minderung ihrer physischen, mechanischen Eigenschaften; so erklärt sich der enge Zusammenhang zwischen der Niederschlagsmenge und dem Ausbruch der Abrutscherscheinungen.
     Hier gibt es wichtige Erdrutsche, unter ihnen sind der des Tessina zu verzeichnen, dessen Ausmaß mehr als 100 Meter stark ist, der Erdrutsch von Lamosana, der dabei ist den gesamten Ort zu versetzen, und der Erdrutsch des Fadalto, der den See von S. Croce gebildet hat.
     Von paläogeographischer Sicht aus ist es interessant, dass das Alpago in der Kreidezeit (vor etwa 135 bis 70 Millionen Jahren) außerhalb des Riffes vom Meer bedeckt war; während im Gebiet des Berges Cavallo–Cansiglio ein Riff von tropischer Art existierte, das aus Fossilien der Gruppe der Lamellibranchiata aus dem Jura und der Kreidezeit bestand.
     Das Letzte breitete sich vom M. Cavallo gegen SSW bis fast zum heutigen Flussbett des Meschio aus. Die Reste des Riffes findet man heute in Crosetta, Candaglia und Croseraz.
     Später gab es verschiedene kleine Veränderungen des Meeresspiegels; aber vor etwa 65 Millionen Jahren versank langsam ein Teil der Erdkruste und somit das gesamte Gebiet; das Wachstum der Organismen der Riffe wurde hiermit unterbrochen.
Infolge der Erosion der herausragenden Böden lagerten sich später Kalkmergel, Mergel, Flysch und eine Reihenfolge von Sandstein ab.
     Im Talbecken des Alpago, vom Meer bedeckt, lebten Krustentiere, Korallen, Zahnwale (morphologisch dem Delphin ähnlich), Haifische, Gastropoden usw.
     In der quartären Epoche war das Alpago sowie die restliche Provinz von Belluno intensiven klimatischen Veränderungen unterlegen; diese verursachten die Ausbreitung oder das Schmelzen der Gletscher.
     In der Zeit der größten Gletscherausbreitung war das Alpago mit etwa 800 m Eis bedeckt.
Der Beweis dafür sind die charakteristischen moränen Ablagerungen, die der Gletscher des Piave während der letzten Ausbreitung des Würm hinterlassen hat; dies längs eines kreisförmigen Streifens, der etwa 1000 m Höhe erreicht, und jener, die unter der Ebene von Paludi auf minus 170 m vorhanden sind.
     An der Mündung der Seitentäler von Salatis, Venàl di Montanes und Venàl di Funes trifft man auf moräne Ablagerungen der lokalen Gletscher, die aus autochthonem Material bestehen.
     An ihren Talschlüssen sind oberflächliche und tiefe Karsterscheinungen ersichtlich, die jedoch typischer und zahlreicher auf der nahen Hochebene des Cansiglio sind. Sie ist von einer weiten zentralen Senkung von etwa 1000 m hervorgerufen worden und von Gipfeln zwischen 1300 und 1600 m umgeben.
     Die atmosphärischen Einflüsse – mechanisch und karstig, chemisch-physisch - haben den Fels verwittert; sie sind noch heute aktiv. Die karstige Formung ist charakteristisch für die Landschaft: mit der weiten Senkung (polje), die von der Hochebene des Cansiglio selbst gebildet wurde, mit den Furchen (uvale-karstische Senkungen, die sich aus der Vereinigung verschiedener Karsthöhlen gebildet haben) des Tales Valmenèra und Cornèsega, mit den Karsthöhlen, den Karsterscheinungen aus Blöcken, den Felsspalten und den Korrosionsbecken.
     Die große Vielfalt der Gesteine des Alpago und ihre gute Qualität hatten zur Folge, dass schon die antiken Bevölkerungen Steinbrüche zum Abbau anlegten.
     Die Urmenschen benutzten den Kiesel, die Römer benutzten zwischen dem 2. und 3. Jh. n. Chr. den Kalkstein des Fadalto; seine beste Qualität findet man in der Lokalität Prandarola im Cansiglio. Später wurden Steinbrüche in der Lokalität Tre Ponti, vier in der Lokalität Palughetto, sowie in der Örtlichkeit Col Indes und Tambruz angelegt, um den ,Kalkstein von Col Indes’ abzubauen. In der Formation des Flysch wurden calcareniti zum Bau von Häusern und Stützmauern abgebaut. Es wurden die Sandsteine in Puos d’Alpago, in S. Martino, in Sitran usw. verwendet.
     Auch heute wird Material abgebaut, das aus der Formation der Roten Splitter des Raumes La Secca und Cornolade herstammt, ebenso der Kalkstein des Fadalto in Chies d’Alpago und in Tambre.


Anhäufung von Fossilien, die sich am Fuß des Korallenriffes angesammelt haben; sie sind auf der Straße Canaie – Val de Piera – in Tambre d’Alpago aufgefunden worden. (foto F. Padovan)

Die Karsthöhlen oder Karsttrichter; es sind geschlossene Mulden, gebildet durch die Erosion der karstigen Oberfläche, die vom über unterirdischen Wegen aufgesaugten Wasser hervorgerufen wurde. (Luftaufnahme V. De Sarvognani)